Adrenogenitales Syndrom – Autosomal rezessiv vererbte Stoffwechselerkrankung
Auf das Weitergeben von Erbkrankheiten hat der Mensch noch wenig Einfluss. So ist es auch bei dem adrenogenitalen Syndrom. Dabei handelt es sich um eine Gruppe autosomal rezessiv vererbter Stoffwechselkrankheiten. Die Ableitung für den Oberbegriff adrenogenitales Syndrom leitet sich von adreno für Nebenniere und genitale für Geschlecht ab. Das adrenogenitale Syndrom wurde bereits Anfang des 19. Jahrhunderts durch Bevern und Römhild beschrieben. Bei dieser vererbten Krankheit ist die Hormonbildung in der Nebennierenrinde gestört.
Als Ursache sind verschiedene Enzymdefekte bekannt, die unabhängig vom Geschlecht vererbt werden und das auch nur, wenn beide Eltern das defekte Gen in sich tragen. Der Defekt blockiert an einer bestimmten Stelle die Umwandlung von Cholesterin in Nebennierenhormone. Die Hormone Aldosteron und Kortisol können nicht mehr ausreichend produziert werden, dadurch wird die Nebenniere deutlich überstimuliert, denn sie muss diesen Mangel wieder ausgleichen. Da die Nebennieren aber wegen der Enzymdefekte kein fertiges Hormon produzieren können, sammeln sich nur die Vorstufen von Aldosteron und Kortisol an.
Adrenogenitales Syndrom, also AGS, ist der Oberbegriff für verschiedene, genetisch bedingte Stoffwechselkrankheiten. Sie haben alle gemeinsam, dass die Bildung von Hormonen in der Nebennierenrinde gestört ist. Grund dafür ist, dass ein Enzym nicht so funktioniert, wie es das eigentlich tun sollte. Es können verschiedene Enzymdefekte das adrenogenitale Syndromverursachen. Bei mehr als 95 Prozent ist das Enzym 21-Hydroxylaxe dafür verantwortlich, weil es nicht richtig funktioniert. Eher selten sind der Defekt der 3-beta-Hydroxysteroid-Dehydrogenase und der 11-beta-Hydroxylase-Mangel.
Hauptmerkmale des adrenogenitalen Syndroms
Zur Feststellung von AGS gibt es einige Symptome, die für den Facharzt zur Feststellung der Diagnose wichtig sind. Sie können jedoch je nach dem Geschlecht und der Art desEnzymmangels sehr unterschiedlich sein. Vom klassischen adrenogenitalen Syndrom betroffene Mädchen haben schon bei der Geburt vermännlichte äußere Genitalien. Der Grund dafür ist, dass sie schon im Mutterleib den männlichen Geschlechtshormonen, also dem Androgen, ausgesetzt waren. Die Vermännlichung kann von einer Klitorisvergrößerung bis zur Bildung eines Pseudopenis reichen. Weiblich dagegen sind die inneren Genitalien. Bei Jungen treten anfangs äußerlich keine Symptome auf. Sie haben normal entwickelte Geschlechtsorgane. Wird das adrenogenitale Syndrom bei Jungen und Mädchen nicht behandelt, wachsen sie sehr stark.
Sie sind dem Alter entsprechend zu groß. Da sich auch die Epiphysenfugen schneller schließen, können sie schon frühzeitig nicht mehr weiter wachsen. Epiphysenfugen sind die knorpeligen Wachstumszonen des Knochens. Wenn Erwachsene von AGS betroffen sind, sind sie kleinwüchsig, sofern sie nicht so früh wie möglich behandelt wurden. Bei Jungen zeigt sich dasSyndrom erst in der sogenannten Scheinpubertät. Durch den hohen Adrogenspiegel wächst der Penis und Schamhaare. Die Hoden allerdings sind dann noch immer kindlich. Mädchen bekommen auch vorzeitig eine Schambehaarung, die aber vom männlichen Typ ist. Die Behaarung zeigt sich auf der Brust und der Oberlippe. Diese Mädchen haben eine deutlich stärkere Behaarung als gesunde Mädchen und nicht selten bleibt bei ihnen die Regelblutung aus. Außerdem entwickelt sich die Brust nicht.
Ein adrenogenitales Syndrom kann therapiert werden
AGS Betroffene leiden häufig unter Müdigkeit und sind zudem sehr stressanfällg. Nicht selten ist auch Hypoglykämie, Unterzuckerung, eine Begleiterscheinung. Menschen, die am adregogenitalem Syndrom erkrankt sind, haben eine erhöhte Infektanfälligkeit. Da ein Gendefekt die Ursache für das adrenogenitale Syndrom ist, kann es nicht geheilt, aber in seinen Symptomen behandelt werden. Je früher die Erbkrankheit erkannt wird, desto günstiger gestaltet sich auch die lebenslange symptomatische Therapie. Bei der Substitutionstherapie müssen Betroffene ein Leben lang die fehlenden Hormone als Medikamente in Tablettenform einnehmen. Kortisol ist ein Stresshormon, das der Körper gerade in Stresssituationen verstärkt braucht.
Die Medikamentendosis muss in Stresssituationen wie Operationen, fieberhafte Infekte und körperliche Anstrengungen erhöht werden, um einen Ausgleich zu schaffen. Mädchen mit einer Vermännlichung der äußeren Genitalien können bereits im ersten Lebensjahr operiert werden. Wenn die Einstellung der Hormonsubstitution so früh wie möglich und gut erfolgt, verschwinden die Symptome und die Betroffenen können ein ganz normales Leben führen. Auch können sie eine ganz normale Fruchtbarkeit erreichen. Paare, die ein Kind mit AGS haben, können sich bei erneutem Kinderwunsch beraten lassen.
Autoren & Experte: Wissenschaftlicher Beirat: Prof. Dr. med. Hermann Eichstädt, Berlin. Facharzt Innere Medizin & Kardiologie, Lebenszeitprofessor i.R. der Charité Berlin. Geschäftsführender Vorstand der Berlin- brandenburgischen Gesellschaft für Herz- und Kreislauferkrankungen e.V. Journalist: Horst K. Berghäuser Heilpraktiker: Felix Teske Literatur, Quellen und Verweise: Rationelle Diagnostik und Therapie in der Inneren Medizin Thieme Verlag Praktische Labordiagnostik - Lehrbuch zur Laboratoriumsmedizin, klinischen Chemie und Hämatologie Grönemeyers Buch der Gesundheit Hallesche Krankenversicherung